Die neue Anatomie der Meduni Graz ist fertig

Am 30. September wurde das von der Pathologie zur Anatomie umfunktionierte Gebäudeensemble am Grazer Auenbruggerplatz an die Medizinische Universität Graz übergeben – und zwar pünktlich, trotz Bauzeit mitten in der Pandemie. Damit ist der gesamte Med Campus Graz baulich fertig und mit 90.000 m² eines des größten Universitätsareale in Österreich. Ab jetzt werden die Anatomie und Modul 2 besiedelt, im Frühjahr 2023 wird eröffnet. Die BIG hat insgesamt 400 Mio. Euro in den neuen Med Campus in Graz investiert.

Der einstige Pathologie-Pavillon des Grazer Universitätsklinikums wurde innerhalb von gut zwei Jahren für den Lehrstuhl für makroskopische und klinische Anatomie der Meduni Graz saniert und um einen Neubau erweitert.

Das aus dem Jahr 1912 stammende denkmalgeschützte Bestandsgebäude mit einer Nettoraumfläche von 3.150 m² hat mit einem neuen, zweigeschossigen Foyer einen großzügigen Eingangsbereich bekommen. Zuvor waren diese hochwertigen Flächen als Technikräume genutzt worden. Außerdem beherbergt der Altbauteil Labors, zwei Seminarräume, Besprechungsräume, Büros und eine Bibliothek (beim Fotoshooting noch ohne Bücher) in den beiden Obergeschoßen. Am Übergang zum Neubau befindet sich ein besonders schöner Sozialraum mit Blick ins Grüne. Für die Adaptierung des Bestandsgebäudes war ein nachträglich errichteter Hörsaaltrakt aus 1983 abgebrochen worden. Die Sanierung erfolgte in enger und konstruktiver Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt und der Grazer-Altstadtsachverständigenkommission (ASVK).

Im Altbau befindet sich mit dem historischen Seziersaal aus 1911 ein besonderes Kleinod. Dabei handelt es sich um einen der wenigen erhaltenen Seziersäle aus dieser Zeit. Das Seziersaalgestühl stammt von der Wiener Eisenkonstruktionsfirma von Ignaz Gridl, dem ersten Stahlbauunternehmen der Monarchie, das übrigens auch das Gewächshaus im Botanischen Garten der Universität Graz errichtet hat. Das Seziersaalgestühl wurde fachkundig restauriert und hat Platz für 40-50 Studierende. Projektleiter Klaus Grill hat den historischen Seziersaal in "seiner" Anatomie besonders schön fotografiert. Die restlichen Fotos stammen vom Architekturfotografen David Schreyer.

Der Neubau mit einer Nettoraumfläche von 5.100 m² wurde von Wiener Architekturbüro Franz und Sue ZT GmbH geplant. Hier befinden sich ein unterirdischer, holzvertäfelter, akustisch optimierter Hörsaal für 500 Studierende sowie zwei Seziersäle mit insgesamt 70 Sezierplätzen im 1. Stock . An einem Sezierplatz können acht bis zehn Studierende arbeiten, über Bildschirme wird übertragen, das der / die Vortragende vorzeigt. Am Tag des Fotoshootings wurden gerade die Tische unter den Abluftsäulen platziert. Im Erdgeschoß des Neubaus ist die Garderobe für 450 Studierende untergebracht. Hier befinden sich auch Aufenthaltsbereiche und Studierzonen. Im Erdgeschoss befindet sich ein weiterer, kleinerer Seziersaal mit acht Tischen, der zur Forschung und Weiterbildung der Ärztinnen und Ärzte genutzt wird.

Die Formensprache des Neubaus ist zurückhaltend, funktional und zeitlos und harmoniert mit dem historischen Bestand. Zwischen Altbau, Neubau, Innenhof und dem direkt angrenzenden Leechwald sind interessante Blickbeziehungen entstanden. Der Neubau hat eine charakteristische Fassade. Es handelt sich um eine doppelschalige Profilglasfassade, teilweise mit integrierter transparente Wärmedämmung. Mit dieser Art der Verglasung konnten helle und freundliche Seziersäle entstanden, die nicht von außen einsehbar sind. Im Inneren des Neubaus dominieren Holz und Sichtbeton. 

Das historische Bestandsgebäude und seine zeitgenössische Ergänzung sind über den Hörsaal unterirdisch miteinander verbunden. Dadurch entsteht zwischen dem Alt- und dem Neubau ein Innenhof, in dem in einer elliptischen Insel acht Bäume (Felsenbirnen) gepflanzt wurden. Der Hörsaal ist vom Neubau und vom Altbau zugänglich. Natürliches Licht kommt über eine ovale Oberlichte und über zwei seitlich eingeschnittene Lichthöfe vom Innenhof in den 450 m² großen Raum. 

Bestehende Gebäude zu erhalten, zu adaptieren und möglichst lang zu nutzen ist sinnvolle Schonung von Ressourcen und gelebter Klimaschutz. Die kompakte Bauweise und Wärmedämmung des Neubaus spart Energie. Wärmerückgewinnung aus den Labors dient zur Energiegewinnung.

Die Skulptur mit Wandarbeit von Gustav Troger (Bilder 1-2 oben) stammt ursprünglich aus dem Jahr 1986. Der steirische Künstler hatte sie für die Eingangshalle eines nachträglich errichteten Zubaus zur Pathologie entworfen. Im Zuge der aktuellen Sanierung wurde sie abmontiert und bekam dann einen neuen, mit dem Künstler abgestimmten Platz und eine neue, raumbezogene Dimension. 

Blick zurück

Nach zehnjähriger Planungs- und Bauzeit wurde am 12. Mai 1912 das Universitätsklinikum Graz als damals größtes und modernstes Krankenhaus Europas eröffnet. Sie war als ausgedehnte Grünanlage mit Pavillons angelegt. Am westlichen Rande des Areals, in Richtung Hilmteich, bekam die Pathologie ihr eigenes Gebäude. Im Laufe der Zeit erhielt das Jugendstil-Ensemble Zu- und Neubauten, östlich davon entstand der Med Campus Graz. Die Pathologie war ein in sich geschlossener und vom Krankenhausareal räumlich getrennter Baukörper. Das Institut hatte immer eine Sonderstellung, denn es diente nicht zur Versorgung der Patientinnen und Patienten, sondern übernahm von Beginn an neben der Forschungstätigkeit die wichtige Aufgabe der objektiven Untersuchung von Todesfällen.