BG/BRG/BORG Lessinggasse

BIG Story: BG/BRG/BORG Lessinggasse als eine der größten Tiefbau-Baustellen Wiens

BG/BRG/BORG Lessinggasse als eine der größten Tiefbau-Baustellen Wiens

Das in Wien 1, Hegelgasse 14 untergebrachte BORG wird mit dem BRG Wien 2, Vereinsgasse zu einer gemeinsamen Schule unter einer Leitung am Standort Lessinggasse 14 zusammengeführt.

Dazu gilt es, das Bestandsgebäude in der Vereinsgasse zu sanieren und mit einem Neubau auf der unbebauten, rund 2.600 Quadratmeter großen Nachbarliegenschaft zwischen Lessinggasse und Volkertstraße zu erweitern. Insgesamt wird den Schülern und Lehrern eine Fläche von rund 16.100 Quadratmetern zur Verfügung stehen. Ihre Pausen werden sie in den neu gestalteten Innenhöfen sowie auf Teilen der Dachflächen verbringen können.

Der geplante Neubau umfasst auf Seite der Lessinggasse fünf Geschoße, auf Seite der Volkertstraße und bei den beiden Quertrakten vier Geschoße. 46 Klassen, Sonderunterrichtsräume, eine Bibliothek, die Schulverwaltung sowie drei unterirdische Turnsäle und ein  Bewegungsraum werden hier auf rund 10.500 Quadratmetern untergebracht sein. Ebenso wird aufgrund des Schulschwerpunktes Theater und Performance ein zwei geschossiger Mehrwecksaal mit einer Raumhöhe von ca. 6m gebaut.

Auf den ersten Blick eine ganz normale Bauaufgabe. Das Besondere daran: Unter dem von der Schule genutzten Teil entsteht eine drei Tiefgeschoße umfassende Wohnsammelgarage für 360 PKW-Stellplätze. Dafür wird bis zu 40 Meter tief unter das Gelände gegraben – und das in einer Baulücke im innerstädtischen Bereich. Maßgeblich an der Umsetzung beteiligt ist Dietmar Adam, Vorstand des Instituts für Geotechnik an der TU Wien.

Nach dem TU-Studium hatte er den Eindruck, dass gerade Geotechnik seine größte „Schwachstelle“ war. Dennoch wollte er mehr über das Fachgebiet wissen. Und als er dann als Assistent im institutseigenen Labor erstmals eine Bodenprobe aus dem „Wiener Tegel“ bearbeitete, wurde ihm klar, was seine Berufung ist.

Heute kann er auf rund 1000 bearbeitete Ingenieurprojekte in mehr als 40 Ländern zurückblicken, an der TU Wien ist es ihm möglich, mit seinen Forschungsaktivitäten international zur gedeihlichen Entwicklung seines Fachgebietes beizutragen. Einige Patente, rund 300 wissenschaftliche Veröffentlichungen und mehr als 250 internationale Vorträge zeugen davon.

Welche Besonderheit prägt das Bauvorhaben "Lessinggasse"?

Dietmar Adam: Aktuell gibt es nur wenige Hochbauprojekte in Wien mit einer derart tiefen Baugrube, noch dazu im innerstädtischen Raum. Diese ist 20 Meter tief; die Unterkante der Gründungselemente liegt sogar bis ca. 40 m unter Gelände.

Herausfordernd am Bauvorhaben Lessinggasse aus geotechnischer Sicht sind einerseits die sehr komplexen Untergrund- und Grundwasserverhältnisse – vor Beginn der Donauregulierung im 19. Jhdt. befanden sich noch zahlreiche Donauarme in diesem Gebiet – und andererseits die unmittelbar angrenzende mehrstöckige Bebauung mit Gebäuden aus unterschiedlichen Epochen ssowie insbesondere die große Aushubtiefe.

Eine Unzahl an geotechnischen Aspekten muss entsprechend vernetzt und zeitlich überschneidend betrachtet werden. Darüber hinaus ist aber auch speziell, dass die fünf Tiefgeschoße gänzlich unterschiedliche Zwecke erfüllen müssen. Die unteren drei Tiefgeschoße – mit eigenem Bauherrn – werden zukünftig als Wohnsammelgarage genutzt, die oberen Tiefgeschoße – mit der BIG als Bauherrn – zu Schulzwecken, vor allem für Turnsäle.

Wie ging der Bau der fünf Tiefgeschoße von statten?

Die Tiefgeschoße wurden in sog. „Deckelbauweise“ errichtet. Nach Herstellung der tief in den Untergrund einbindenden Baugrubenumschließung mittels Schlitzwänden erfolgte geschoßweise der Aushub. Die Baugrubenwände wurden von oben nach unten mit den sukkzessive ausgeführten Zwischendecken ausgesteift und gestützt. In der Lessinggasse wurden die Decken jedoch nicht vollflächig betoniert, sondern nur als Art „Aussteifungsring“ ausgeführt, damit in der Mitte genug Platz für die Disposition des Ausghubs, der Baumaterialien und Baugeräte verblieb. Günstig für die Nachbargebäude ist, dass die Methode verformungsarm ist. Baugrubenwände und Zwischendecken sind gleichzeitig Teile des endgültigen Bauwerks.

Welche spannenden technischen Aspekte sind im Zusammenhang mit dem Bau zu erwähnen?

Der Grundwasserspiegel bedeutet eine besondere Herausforderung. Senkt man wie beim Projekt Lessinggasse den Grundwasserspiegel um mehr als 20m ab, können Wasserströmungen im Boden entstehen, die die Struktur des Bodens nachhaltig ungünstig verändern können. Die Folge sind Erosionserscheinungen im Untergrund und im schlimmsten Fall tritt hydraulischer Grundbruch auf. Das muss bereits im Vorfeld bedacht und vermieden werden. Zusätzlich ist auch zu bedenken, dass nach dem Abschalten der Grundwasserhaltung der Grundwasserspiegel in den verschiedenen Bodenhorizonten wieder ansteigt und das Gebäude damit unter Auftrieb steht. Erst wenn der Rohbau nahezu fertig ist, ist es „schwer“ genug, dass es nicht einem Schiff gleich „aufschwimmt“. Jede Grundwasserabsenkung beeinflusst darüber hinaus natürlich auch weiträumig die umgebende Bebauung.

Welche Aspekte gibt es hinsichtlich Energieeffizienz?

Die Schlitzwandelemente zur Gründung des Bauwerkes wurden im Sinne der Nutzung von Synergien als sogenannte „Energieschlitzwände“ mit Absorberleitungen ausgestattet, mit denen die Erdwärme zur Heizung und Kühlung des Gebäudes nutzbar gemacht werden kann, ohne das eigens gebohrte Erdwärmesonden hergestellt werden müssen. Diese Technologie wurde in Österreich entwickelt und an meinem Institut für Geotechnik der TU Wien weltweit erstmals wissenschaftlich untersucht und weiterentwickelt. In Mitteleuropa hat sich diese Methode heute bereits als Standard etabliert.

Was ist für Sie persönlich das Schöne an Ihrem Beruf?

Geotechnik gehört zu den spannendsten und entwicklungsfähigsten Gebieten des Bauingenieurwesens und nahm vor nicht einmal 100 Jahren in Wien seinen Ausgang. Der Untergrund ist immer noch die große Unbekannte, der Boden ein hochkomplexes Gebilde aus Einzelkörnern, Poren und Wasser. Die Untergrundverhältnisse sind nie gleich und immer für Überraschungen gut. Jedes Bauvorhaben ist damit anders. Routine und Standard sind in der Geotechnik Fremdwörter. Aber genau das macht den Reiz aus, man lernt nie aus!