Jahrhundertprojekt nimmt Gestalt an

Bücherdepot wird als klimafreundlicher, energiesparender Holzhybridbau realisiert


Otto Wagner hat schon vor über hundert Jahren Pläne für ein Bücherdepot entworfen, die in der Schublade verstaubt sind. Auch für die BIG und die Wiener Universitäten ist das Bücherdepot schon lange ein Thema - nun nimmt der klimafreundliche und energiesparende Holzhybridbau, der bis Ende 2024 auf den Siemensgründen in Wien-Floridsdorf entstehen wird, erste Formen an.

Derzeit befindet sich das dritte von sechs Obergeschossen im Rohbau, Ende Mai wird die Dachgleiche erreicht sein. Das Bücherdepot wird als funktionales und klimaresilientes Gebäude realisiert, das gleichzeitig architektonisch anspruchsvoll ist. Wo immer möglich, wird Holz verwendet, z.B. werden nichttragende Wände aus Holz hergestellt. Die meisten Bauteile können vorgefertigt werden, was eine kurze Bauzeit garantiert. Der Entwurf sieht eine maximale Wärmerückgewinnung vor.


Lokale Energiegewinnung und großflächige Photovoltaikanlage

„Die gewählte, sehr kompakte Bauweise des fünfgeschossigen Gebäudes reduziert den Primärenergiebedarf und damit den CO2-Ausstoß. Es werden keine fossilen Brennstoffe verwendet, sondern lokale erneuerbare Ressourcen wie Erdwärme mit Bauteilaktivierung zur Energiegewinnung genutzt. Das Bücherdepot kann bei Bedarf im laufenden Betrieb erweitert werden. Das garantiert eine lange Lebensdauer“, erklärt Richard Schöberl, Leiter des BIG-Unternehmensbereichs Universitäten.

Die großflächige Photovoltaikanlage auf dem Dach wird eine Leistung von über 300 kWp liefern, was in etwa dem durchschnittlichen Stromverbrauch von 65 Vier-Personen-Haushalten entspricht. Durch ein ausgeklügeltes Lüftungskonzept wird einer Überhitzung im Sommer entgegengewirkt.


Platz für über 2 Millionen Bände der Universitätsbibliothek Wien

Das Bücherdepot mit einer Nettogrundfläche von 13.000 m² ist für 130.000 Laufmeter Bücher ausgelegt. Auf 109.000 Laufmetern davon wird die Universität Wien einen großen Teil des Buchbestands der Hauptbibliothek lagern, das sind über 2 Millionen Bände. Die restliche Fläche steht den Bibliotheken der Technischen Universität Wien, der Universität für angewandte Kunst Wien, der Akademie der bildenden Künste Wien und der Geologischen Bundesanstalt zur Verfügung.

Mit der Errichtung des Bücherdepots am Stadtrand werden im Hauptgebäude der Universität Wien über 5.000 m² hochwertige Flächen für die universitäre Nutzung frei.

Die Investitionskosten inklusive Einrichtung und Übersiedlung belaufen sich auf 37,8 Millionen Euro. Der Baubeginn erfolgte im Oktober 2023, die Fertigstellung ist für November 2024 geplant.


Hälfte des Bauplatzes besteht aus naturnahen Wiesen

„Es wird wenig Fläche versiegelt. Naturnahe Wiesen machen die Hälfte des Bauplatzes aus. Die Artenvielfalt wird nicht nur rund um den Holzhybridbau mit einer naturnahen Blumenwiese und einer Allee aus 60 neuen Bäumen gefördert, sondern auch am und um das Gebäude. Die Fassade Richtung S-Bahn und das Dach werden naturnah begrünt“, sagt Schöberl.

Das Regenwasser wird auf dem eigenen Grundstück versickern, es wird nicht in die Kanalisation eingeleitet.


Speicher des Wissens– Siegerprojekt als kubischer Baukörper und Landmark

Insgesamt 60 Einreichungen gingen beim EU-weiten Architekturwettbewerb ein. Sieger wurde das steirische Architekturbüro Pittino & Ortner mit dem „Speicher des Wissens“. Der Entwurf zeichnet sich durch eine einfache und klare Formensprache aus. Passend zu einem Gebäude, das weitgehend als fensterlose Lagerhalle genutzt wird, stehen Funktionalität und Energieeffizienz im Vordergrund.

Der Entwurf von Pittino & Ortner nutzt das Grundstück optimal aus und sieht kurze Erschließungswege vor. „Der kubische Baukörper steht als Solitär zentral auf dem Grundstück und ist in seiner klaren Form identitätsstiftend und Landmark zugleich“, so beschreibt das Architekturbüro Pittino & Ortner ihren Entwurf.


Erste Entwürfe vor über hundert Jahren von Otto Wagner

Anfang des letzten Jahrhunderts wurde Otto Wagner beauftragt, ein eigenes Bibliotheksgebäude mit hohem architektonischen Anspruch zu entwerfen. Zwei seiner Entwürfe sind überliefert. Einer stammt aus dem Jahr 1910 und sollte an der Ecke Boltzmanngasse/Strudlhofgasse errichtet werden, ein zweiter Entwurf aus dem Jahr 1914 war für die Ecke Sensengasse/Spitalgasse vorgesehen. Keines der Projekte wurde realisiert, der Erste Weltkrieg kam dazwischen. Danach machten sich mehrere Architekten an die Planung - keiner der zahlreichen Entwürfe wurde verwirklicht. Interessant wurde es wieder Anfang der 1950er Jahre. Alfred Dreier und Otto Nobis entwarfen ein Bibliotheksgebäude für die Universitätsstraße 7 - das zum Neuen Institutsgebäude, besser bekannt als NIG, umfunktioniert wurde.